Probleme des subtilen Körpers in einem hektischen Leben

Spüren Sie ein enges Band um Ihrem Kopf herum? Haben Sie Kiefer- und Nackenschmerzen? Sind Ihre Augen müde, rot, tränend und brennend? Leiden Sie unter häufigen Kopf-, Magen- und Rückenschmerzen? Solche Schwierigkeiten scheinen rein körperlich zu sein, sie sind es aber nicht. Obwohl sie sich körperlich manifestieren, haben Probleme dieser Art ihren Ursprung im subtilen Körper, in der emotionalen Kommunikation zwischen unserem physischen Körper und unserer mentalen Aktivität. Es gibt fünf Hauptenergien in unserem subtilen Körper, im Tibetischen nennt man sie prana, innere Winde, oder lung. „Aufsteigendes lung“ ist ein zentrales und sehr menschliches Problem.

Wenn man entspannt ist, befindet sich das aufsteigende lung an seinem natürlichen Platz unterhalb des Nabels. Wenn aber die Menschen chronisch gestresst sind, beginnt lung sich hin zu falschen Körperstellen zu bewegen. Die Muskeln spannen sich an und verursachen körperliche Schmerzen, das Nervensystem wird gereizt und führt dazu, dass der konzeptuelle Geist verwirrt und aufgewühlt ist, reaktive Emotionen schießen hoch, scheinbar aus dem Nichts. Es ist, als stehe eine Pflanze, die viel Sonne braucht, an einem schattigen Ort und gedeihe daher nicht. Ist das ein Problem der Pflanze oder liegt es daran, wo sie sich befindet? Es ist Problem des Standortes und nicht eine Schwäche der Pflanze. Lung ist nicht das eigentliche Problem, wir brauchen die Lebensenergie von lung. Aber wenn es sich am falschen Ort aufhält, verursacht es in unserem Leben große Probleme.

Wenn wir mentale Erregung oder Stress erfahren, haben wir gewöhnlich die Fähigkeit, unsere Emotionen, Gedanken und unseren Körper wieder in Balance zu bringen, wenn das aufsteigende lung in sein Zuhause unmittelbar unter dem Nabel zurückkehrt. In solchen Fällen ist es sehr leicht zu einer ausbalancierten Stabilität zurückzufinden. Zur Instabilität kommt es dagegen, sobald lung am falschen Platz ist. Wenn lung aufsteigt, werden wir sehr emotional und es fühlt sich an als wären wir eine geschüttelte Flasche sprudelnden Mineralwassers. Unsere Köpfe fühlen sich dick und so eng an als wären sie nur zur Hälfte mit Gehirnmasse, dafür mit doppelt so viel Dumpfheit oder Brummen gefüllt. Manchmal scheinen unsere Köpfe fast zu explodieren! Gelegentlich und ohne dass wir es gemerkt haben wurde lung durch anhaltende Erregung und Verwirrung so konditioniert, dass es ständig in Bewegung ist und sich womöglich dauerhaft in Kopf, Nacken, Schultern und Brust aufhält. Lung hat den ‚Heimweg‘ nicht mehr gefunden.

Wenn dieses Aufgewühltsein sich erst einmal als ein Körpermuster nervöser Anspannung festsetzt, bleibt es im subtilen Körper, auch wenn wir denken: „Oh, kein Problem, es geht mir gut.“ Aber nur weil wir es nicht merken, heißt das nicht, dass unser Lebensstil den subtilen Körper nicht in große Anspannung versetzt und dass diese Anspannung sich nicht tief in unserem körperlichen und mentalen System eingepflanzt hat. Sie hat.

Wie auch immer, es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass die Probleme mit dem aufschießenden lung keine Erfindung unserer Zeit sind. Vielmehr sind sie, bis zu einem gewissen Grad, Teil der menschlichen Existenz seit langer langer Zeit. Unser gegenwärtiges Leben aber ist so überaktiv, intensiv und überladen mit Informationen, dass unsere Köpfe ständig brummen und dröhnen und wir schnell emotional reagieren. Es scheint ganz normal zu sein, dass Geist und Körper angespannt sind. Jeden Tag aufs Neue rezitieren wir das Mantra: „Ich habe so viel zu tun… zu viel zu tun… ich werde nie rechtzeitig fertig werden!“ Angetrieben von Angst, dass wir nicht erfolgreich sein werden, fixieren wir uns auf all das, was noch zu tun ist. Die ‚Klebrigkeit‘ dieser Fixierung ist vermischt mit Hoffnung und Furcht und produziert ein dröhnendes, enges, verworrenes Durcheinander. Eine ermüdende Situation! So dass wir am Ende des Tages ins Bett fallen und schlafen – wenn wir können. Lung geht ein bisschen runter, aber wenn wir aufwachen… zoom… ist es schon wieder oben, an der Arbeit und bereit „alles zu tun, was zu tun ist“. Der Großteil der Zeit, in der wir wach sind, ist gekennzeichnet von einem ständigen Muster der Rastlosigkeit und Angst, verursacht durch die Geschwindigkeit von lung.

Geschwindigkeit ist das Hauptsymptom von lung am falschen Platz – gemeint ist nicht physische Geschwindigkeit, sondern mentale Rastlosigkeit, was eine Energie von aufsteigendem lung ist und Stress und Angst erzeugt. Mental beurteilen wir diese Spannung als eine körperliche, aber in Wirklichkeit hat sie ihren Ursprung im subtilen Körper, der sich in einem Zustand dauernder Erregung befindet und diese Erregung an den Körper und an den konzeptionellen Geist weiter leitet. Wir sind eine Art Automotor geworden, der Gas gibt und weder gestoppt noch abgestellt werden kann, aber nirgendwohin fährt.

Was uns in solch fixen Erregungsmustern einsperrt, ist unser Ego. Die Macht des Ego über unser Leben hat sich durch seine Besitznahme von Körper und konzeptuellem Geist etabliert. Wenn der Motor hochdreht und nicht abgestellt werden kann, betritt das Ego die Szene und erzählt seine eigene Geschichte über den Motor und unsere Unfähigkeit, ihn abzudrehen. Es erzählt uns alles über die Schmerzen und Qualen, über Rastlosigkeit und das Gefühl des Gejagtseins. Die Ego-Geschichte kann aus Selbstvorwürfen oder Selbstmitleid bestehen, aus Wut, verletzten Gefühlen oder Depression, aus dem Verlangen, dass jemand unser Problem lösen möge und aus der Verweigerung, es loszulassen. Das Ego wird alles tun, um seinen Besitzanspruch über unser Leben aufrecht zu halten – die Probleme und alles andere.

Diese schwierigen Erfahrungen sind nicht das Problem von Ego. Das Ego breitet sich immer mehr aus und beansprucht die andauernden unangenehmen Erfahrungen als Teil seines Herrschaftsbereiches. Was ist also eigentlich die Schwierigkeit? Da das aufsteigende lung durcheinander geraten, überaktiv und gereizt ist, hat der subtile Körper seine Fähigkeit verloren, die geistigen und physischen Aktivitäten auszugleichen.

In schnelllebigen Gesellschaften lernen wir nichts über die Erregung des subtilen Körpers, aber wir spüren, dass etwas nicht stimmt. Daher versuchen wir das Unwohlsein durch Gegenmittel zu vertreiben, z.B. Urlaub, Parties, Drogen und Alkohol, Meditation, Massage, Fitness, Selbsthilfegruppen, Yoga – in der Hoffnung, dass eines davon helfen wird. All diese Gegenmittel können lung vorübergehend herunter bringen, aber die tief verwurzelten Muster des subtilen Körpers werden davon nicht berührt und die Schwierigkeiten kommen schnell zurück, wenn wir die Gänge wieder höher schalten.

Es ist schwer, ein lung, das es gewohnt ist am falschen Platz zu ‚wohnen‘, zu beruhigen oder zu befriedigen. Noch dazu wird es rastlos und fordernd, wenn es einmal im Besitz von Ego ist. Ego, Geschwindigkeit und Furcht, das alles wird zu einem festen Knoten aus Angst und dröhnendem negativen Stress. Die Situation erzeugt unausweichlich geistige Unklarheit und extreme Emotionalität, häufig gepaart mit einem Gefühl von Unbefriedigt-Sein. Dieses erzeugt wieder mehr Angst, Schuld und Ruhelosigkeit.

Diese Kombination ist eine riesige Quelle von Leiden. Am Morgen wachen wir auf und spüren, dass etwas nicht stimmt. Aber was läuft schief? Wir können es nicht konkret machen. Wir vergleichen unser Leben mit dem anderer Leute und finden, dass unseres ziemlich ok ist. Also steigern wir unsere Aktivitäten zur Verbesserung der eigenen Befindlichkeit, aber etwas ist immer noch nicht in Ordnung. Obwohl wir uns ehrlich bemühen, die Fehler zu korrigieren, wird durch diese Anstrengung die Enge noch enger und lung steckt weiterhin fest, sich in Erregtheit drehend. Was wir tun müssen, ist zu lernen, mit dem subtilen Körper direkt zu arbeiten, nicht nur mit dem physischen Körper oder dem konzeptuellen Geist. Wir müssen lung zurückbringen, hinunter in sein eigenes ‚Zuhause‘, die Gefühle beruhigen und den konzeptuellen Geist und physischen Körper mit dem subtilen Körper verbinden. Wenn wir das nicht tun, werden wir dieses sehr menschliche Problem niemals lösen.

Quelle: News Archives by month, June 2011

Übersetzung: ewi

Weitere Belehrungen von Tsoknyi Rinpoche auf Englisch, siehe tsoknyirinpoche.org/teachings.html.