Im Praxisumfeld des Vajrayana das rechte Mass an Anstrengung und Entspannung zu finden ist für mich eine stete Herausforderung. Die Visualisierungspraktiken – oder besser: die Stufenfolge des Erschaffens und der Auflösung, was mehr ist als Visualisierung – erfordern ein gerüttelt Maß an Lernen und Einsatzbereitschaft und das bei einem ohnehin schon anspruchsvollen Alltag.
Schnell kommt Leistungsdruck auf, ich geb’s zu. Das Design des Vajrayana, wie Rinpoche es nennt, muss für uns sorgfältig aufgeschlüsselt werden, damit deutlich wird, inwiefern es ein schneller und einfacher Weg ist, um die notwendigen Ansammlungen von Verdienst und Weisheit zu mehren.
So hat Tsoknyi Rinpoche in diesem Seminar neben ausführlichen Belehrungen zu Wahrnehmung, Verhaltensmustern, Visualisierungstechniken und konkreten Erläuterungen zur Avalokiteshvara- und Tara-Praxis unermüdlich viele Hinweise gegeben, wie der Entspannungs-, Loslass-, Freudeaspekt auf dem Praxisweg erhalten bleibt.
Als das Wichtigste ist mir entgegengekommen, nicht aus dem verfestigten Ich des Wahrhaft-für-existent-Haltens zu praktizieren, sondern langsam herauszufinden, was das blosse Ich ist und von da aus „zu schauspielern“, „gut zu fälschen“. Denn selbstverständlich ist auch der vorgestellte Buddha eine illusionshafte Erscheinung, genauso wie die Wahrnehmung von mir und der konventionellen Welt. Aber es sind eben „Fälschungen“, die der Wirklichkeit näher sind als unsere verblendete Wahrnehmung. „Fakes based on facts“ nennt es Tsoknyi Rinpoche.
Ebenfalls entscheidend für eine gesunde Vajrayana-Praxis ist, den Geist in den Körper zu bringen. Immer wieder hat Rinpoche die Handshake-Praxis, die er in der ersten Woche ausführlich vermittelt hat, eingeflochten. Wenn Irritationen, Druck, Unruhe usw. aus dem subtilen Körper aufsteigen, gilt es, sofort die Handschüttel-Praxis anzuwenden.
Sehr beherzigen will ich auch den Ratschlag, sich ruhig längere Zeit mit der Visualisierung, dem vorgestellten Bild, vertraut zu machen, indem man die Darstellung wieder und wieder betrachtet, dann die Augen schliesst und ein Nachbild entstehen lässt. Auf die gleiche Art und Weise kann man sich mit den Silben des Mantra vertraut machen – und praktiziert dabei ganz nebenher Shamata und – indem man sich die im Bild enthaltene Symbolik vergegenwärtigt – auch Vipashana! Denn zur Stufenfolge des Erschaffens gehört die Visualisierung, die kognitive Vergegenwärtigung der Bedeutungsinhalte und die „Vajrayana-Stimmung“ auf der Empfindungsebene.
Und: am ersten Abend hat Rinpoche ausführlich über Wertschätzung gesprochen, eine Wertschätzung, die auf Fakten basiert: Wir haben eine kostbare menschliche Geburt, wir haben die Möglichkeit, einen authentischen Meister zu treffen und erhalten kostbarste Belehrungen. Darüber hinaus sollen wir unseren eigenen Praxiseinsatz wirklich wertschätzen. So über das Heilsame nachzudenken führt zu einer Wertschätzung, die auch körperlich spürbar ist.
In dieser Art und Weise – das ahne ich – kann der entlastete subtile Körper mit dem Geist synchron gehen (Hand in Hand) und die Entspannung und das praxisbezogene Lernen sich „organisch und glutenfrei“ (Originalton Tsoknyi Rinpoche) weiter entwickeln zu Vertrauen, Herzensöffnung und Erkenntnis.
Eine Schülerin aus der Schweiz
Das Jonathan erwartet uns…
…auch nächstes Jahr wieder