Buchbesprechung von Markus Loebl
„Öffne dein Herz und lausche“ - Eine Besprechung von Markus Loebel
Tsoknyi Rinpoche präsentiert hier eine sehr zeitgemäße Komposition eines Dharmabuchs. In einem leicht zu erfassenden, bildhaften, fast journalistischen Stil fordert er die Leser auf, sich den eigenen Ängsten und Projektionen zu stellen. Für ihn heißt das zu lernen, mit ihnen liebevoll umzugehen. Tsoknyis Bescheidenheit, mit der er seinen Schülern und Lesern auf gleicher Augenhöhe begegnet, ist kein rhetorisches Mittel eines großen Lehrers, sondern sein Verständnis davon, auf der gleichen Ebene des Erfahrens und Verstehens Herzen zu öffnen. Genauso geben er oder seine Schüler Beispiele des Alltags, in dem die Grenzen unserer Zwischenmenschlichkeit beginnen: „In unseren Beziehungen machen wir die Qualitäten von Offenheit, Intelligenz und Liebe von Bedingungen abhängig.“ Glasbrücken, die unüberwindbar scheinen, die verfälschte Wahrnehmung in Begegnungen mit anderen, Ängste, die sich als Muster auf der körperlichen oder psychosomatischen Ebene widerspiegeln. Ohne Zögern stellt Tsoknyi hierbei seinen eigenen problematischen Werdegang als Beispiel vor. Er spricht von Widerständen wie Ängsten, die sich als körperliche und psychische Muster festigen. Zur Lösung damit bedarf es verschiedener Aspekte der Achtsamkeit, um das eigene vielschichtige Ich zu verstehen. Hinzu kommen Übungen wie Tonglen und der notwendige Umgang mit dem subtilen, feinstofflichen Körper (die Praxis und Kenntnis über Tsa, Lung, Thigle bzw. von den Kanälen, Winden und der Essenz), die Vasenatmung als der hilfreiche Umgang mit den inneren Winden. Übungen, die sonst als „fortgeschrittene Praktiken“ gelten, werden hier als unumgänglicher Gegenstand für die eigene Entwicklung vorgestellt. Zu den jeweiligen Themen bietet das Buch Geschichten wunderbarer und berührender Begegnungen und Situationen mit Lehrern wie Khamtrul Rinpoche und seinem Vater Tulku Urgyen. Der deutsche Titel des Buches ist etwas verfehlt. Es hat nicht die verhaltene Romantik, die man erwarten könnte. Stattdessen fordert Tsoknyi auf, in der Praxis nicht eine „spirituelle Behaglichkeit“ zu kultivieren, sondern ein Verständnis von echtem Bodhicitta zu entwickeln als der bedingungslosen Verantwortung gegenüber den vielfältigen Leiden der heutigen Welt.
Mit freundlicher Genehmigung abgedruckt aus: Buddhismus aktuell, H. 2/2013, S. 62.